24.04.2018 Interview mit Frau Jaganthini Lingarajah
Interview mit Frau Jaganthini Lingarajah (Auszubildende Altenpflege beim Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe e.V.)
Das Gespräch findet statt zwischen Birgit Schierbaum, Bonner Verein für Pflege- und Gesundheitsberufe e.V. und Frau Jaganthini Lingarajah (Auszubildende in der Altenpflege)
BS: Hallo Frau Lingarajah, schön, dass Sie sich die Zeit für unser Gespräch nehmen. Können Sie uns etwas darüber erzählen, wie Sie nach Deutschland gekommen sind?
JL: Sehr gerne. Ich bin Tamilin und komme aus Sri Lanka. Dort habe ich auch meinen Mann geheiratet. Er stammt ebenfalls aus Sri Lanka, lebt allerdings schon seit 25 Jahren in Deutschland. Mit ihm bin ich vor 17 Jahren nach Deutschland gekommen.
Vor meiner Ehe bin ich in Sri Lanka zur Schule gegangen. Das Schulsystem ist ähnlich dem englischen und ich habe in meiner Heimat den so genannten A-Level mit Schwerpunkt Biologie abgeschlossen. Damit wollte ich zur Uni gehen und Medizin studieren. Leider sah es zu dem Zeitpunkt in Sri Lanka so aus, dass Tamilen stark benachteiligt wurden. Es herrschte Krieg und ich hatte keine Chance, nach meinem Schulabschluss ein Studium zu beginnen.
Nachdem ich mit meinem Mann nach Deutschland gekommen bin, war an Studieren und Arbeiten nicht zu denken. Ich konnte die deutsche Sprache nicht, und nach der Geburt meiner Kinder stand fest, dass ich zuhause bleiben und die Familie versorgen würde. Ich hatte auch keine Idee, welchen Beruf ich in Deutschland hätte ergreifen können. Und in meiner Kultur ist es auch üblich, dass die Frauen sich um ihre Familie und den Haushalt kümmern.
BS: Gibt es in Sri Lanka den Beruf der Altenpflegerin?
JL: Es gibt in Sri Lanka keine Altenheime oder ähnliches. Vielmehr ist es üblich, dass sich die Kinder um ihre Eltern kümmern, wenn diese zu alt sind, um sich selbst zu versorgen. Leider leben viele alte Menschen auf der Straße und betteln. Dies passiert, wenn die Kinder weit weg wohnen oder wegen ihrer Arbeit keine Zeit haben, sich zu kümmern. Viele alte Menschen haben ihre Kinder im Krieg verloren. Dann ist niemand da, der sie pflegen kann. Das ist dann sehr, sehr traurig. In Deutschland ist das besser geregelt.
BS: Wie kam es, dass Sie sich für eine Ausbildung als Altenpflegerin interessierten?
JL: Meine älteste Tochter bekam Nachhilfe bei einer ehemaligen Lehrerin aus Bayern. So lernte ich Frau Fuchs kennen, eine beeindruckende und starke Frau. Sie erklärte mir immer wieder, wie wichtig es sei, dass ich arbeiten gehe und eigenes Geld verdiene. Sie sagte, Frauen sollten stark sein.
Eine gute Bekannte von ihr arbeitete bei „Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ mit, einem Projekt des Bonner Vereins für Pflege- und Gesundheitsberufe. Frau Fuchs stellte den Kontakt her und Frau Jeep vom Projektteam erklärte mir, was bei diesem Projekt passiert. Sie erzählten mir, dass ich dort auch Deutsch lernen und eine Ausbildung zur Altenpflegerin machen kann.
Frau Fuchs sagte: „Du musst diese Ausbildung machen. Du bist so nett und freundlich. Das ist die richtige Arbeit für Dich“. Von alleine wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, arbeiten zu gehen. Ich wäre zuhause geblieben und hätte mich weiter nur um meine Kinder, meinen Mann und den Haushalt gekümmert. So viele Frauen in meiner Situation haben ja keine Ahnung, was sie hier machen können. Dabei ist das eine so tolle Gelegenheit. Ich bin Frau Fuchs sehr dankbar, dass sie nicht locker gelassen hat
Ja, und jetzt bin ich bereits seit zwei Jahren dabei und lerne bei den „Mümis“ (= Mütter mit Migrationshintergrund) Deutsch. Das klappt sehr gut und ich habe mittlerweile B1-Niveau erreicht. Auch mit dem Computer arbeite ich jetzt. Wir sind bereits gemeinsam ins Museum gegangen oder ins Theater, manchmal singen wir zusammen. Der Austausch mit den anderen Teilnehmerinnen ist spannend, denn sie kommen aus verschiedenen Ländern, und ich erfahre auch etwas von ihrer Kultur. Das Tolle bei den „Mümis“ ist, dass auch die allein erziehenden Frauen unterstützt werden. Frau Jeep und Frau Fendi helfen, Schulabschlüsse aus den einzelnen Ländern anerkennen zu lassen. Das haben sie auch bei mir gemacht. Sie haben mir einen Praktikumsplatz vermittelt, denn ich wollte wissen, was man in der Altenpflege genau macht. Das hat mir sehr gut gefallen und das habe ich auch allen Freundinnen, die wie ich aus Sri Lanka kommen, erzählt.
Im März 2016 habe ich meine dreijährige Ausbildung als Altenpflegerin im Ernst Stoltenhoff Haus in Bonn-Mehlem begonnen.
Auch zuhause hat sich einiges für mich verändert: Früher machte ich den Haushalt immer alleine. Heute hilft mir mein Mann. Er findet es gut, dass ich arbeite. Wir haben ein eigenes Haus und es ist besser, wenn wir beide verdienen. Die Kinder sind mittlerweile auch groß. Da gibt es keine Probleme.
BS: Was gefällt Ihnen am Beruf der Altenpflegerin?
JL: Ich finde den Beruf toll! Alte Menschen haben so viel zu erzählen. Sie haben so viele Erfahrungen in ihrem Leben gemacht, z.B. im Krieg, und sie können so viele Geschichten erzählen. Es gibt in unserem Altenheim eine sehr alte Frau. Sie ist trotz ihres hohen Alters recht selbstständig. Sie erzählt gerne Geschichten aus ihrem Leben und es ist immer sehr lustig mit ihr.
Ich kümmere mich auch um einen alten Mann, der mich an meinen Vater erinnert. Ich bin sehr froh, wenn ich ihm helfen kann, denn dann habe ich das Gefühl, als würde ich meinem Vater helfen. Darüber bin ich sehr froh.
Der Austausch mit den alten Leuten hilft mir oft bei der Planung meiner eigenen Zukunft.
BS: Was finden Sie nicht so schön?
JL: Ich helfe gerne. Und ich finde es schade, dass ich nicht immer helfen kann.
Manchmal macht es mich traurig, dass viele alte Menschen alleine sind. Das bringt mich zum Nachdenken, und ich habe Angst, dass dies bei mir, wenn ich alt bin, ebenso sein könnte. Das ist ein komisches Gefühl, aber ich möchte meinen Kindern später nicht zur Last fallen.
Manchmal habe ich auch noch kleinere Probleme mit der deutschen Sprache. Besonders am Anfang meiner Ausbildung hatte ich Angst, dass ich Fehler machen könnte. Jetzt nicht mehr. Ich bin viel selbstsicherer geworden.
Ich bin sehr dankbar für die Hilfe, die ich erhalten habe und ich bin froh, dass ich jetzt eine Ausbildung machen kann. Die Ausbildung war am Anfang anstrengend und ich musste mich erst daran gewöhnen. Aber jetzt macht es mir großen Spaß. Ich habe so viel gelernt. Und meine Zukunft hat sich verbessert!
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Birgit Schierbaum
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